Bis zum Mauerbau am 13. August 1961 war der Brocken für DDR-Bürger mit Sonderpassierschein zugänglich. Allein die Brockenbahn transportierte 1957 mehr als 154 000 Menschen auf den Brocken. Das waren damals ausschließlich Einwohner der DDR, für Westdeutsche war der Brocken mit dem Ausbau der Sektorengrenze als Staatsgrenze spätestens seit 1948 nicht mehr erreichbar. Die Grenze verlief unmittelbar unterhalb der Brockenkuppe zwischen dem Gipfel und Torfhaus.
Nach der Schließung wurde der Brocken für die Geheimdienste um- und ausgebaut. Der Staatssicherheitsdienst der DDR hatte dort seinen wichtigsten Stützpunkt an der innerdeutschen Grenze, über den ein Großteil der Kommunikation mit den westlichen Spionen verlief. Seit 1947 waren russische Streitkräfte auf dem Brocken stationiert. Nach dem Mauerbau wurde die Spionageeinheit auf 100 Mann verstärkt und der Stützpunkt zum wichtigsten Spionageberg des Warschauer Paktes in Westeuropa ausgebaut. Wegen der exponierten Lage konnten die Russen von dort aus sämtliche Militärbewegungen in nahezu allen Teilen Westeuropas überwachen.
Zum Schutz der Spionage-Anlagen wurde ab 1978 die Brockenmauer errichtet. Der Zugang zum Brocken war seit dem 13. August 1961 ohnehin gesperrt und nur mit einer speziellen Berechtigung konnten die auf dem Berg arbeitenden Menschen die Verbotszone betreten. Die Brockenmauer umfasste die komplette Brockenkuppe und hatte eine Länge von 1,54 Kilometern.
Das war vor dem 3. Dezember 1989. Obwohl die Mauern und Zäune in der DDR längst gefallen waren, dauerte es drei Wochen, bis das Neue Forum zu einer Demonstration für einen freien Brocken aufrief. Am 3. Dezember wanderten also tausende Menschen zum Gipfel.
Vor dem Tor der Brockenmauer wurde die Menschenmenge immer größer und wurden die Protestrufe immer lauter. So laut, dass der glücklicherweise unbewaffnete diensthabende Major das Tor um 12.45 Uhr öffnen musste. Ansonsten hätten die Demonstranten die Anlage gestürmt.
Wie die GZ damals berichtete erschien ein Mitglied des Bergunfalldienstes vom Roten Kreuz und verkündete der wartenden Menge: „Das Tor wird geöffnet." Er erklärte weiter, dass nur zehn Angehörige der Grenztruppen anwesend seien, die unbewaffnet aus ihren Unterkünften kommen und mithelfen wollen, für einen geordneten Aufenthalt der vielen unerwarteten Besucher zu sorgen.
Der Zug der Wanderer verteilte sich schnell auf der Brockenkuppe. Nach 28 Jahren konnte die Brockenkuppe das erste Mal wieder frei betreten werden. Bei herausragender Fernsicht, bei milden Temperaturen und herrlichstem Sonnenschein entwickelte sich schnell Volksfeststimmung. „Tausende von DDR- und auch Bundesbürgern feierten auf dem Plateau ein Volksfest", schrieb die GZ am 4. Dezember.
Von da an hielt der Besucherstrom an: Jedes Jahr wandern und reisen mehr als zwei Millionen Menschen auf den Brocken. Zu Fuß, mit dem Zug oder per Rad. Für die Harzer ist der 3. Dezember 1989 der wichtigste Gedenktag. Dass dieser Tag in den Medien nur als Randnotiz erschien, lag einzig daran, dass am selben Tag das Politbüro der DDR zurück getreten ist.
20 Jahre deutsche Einheit liegen zwischen diesen Aufnahmen von Hansjörg Hörseljau. Der Fotograf stand 1989 noch vor der Sperrmauer 1989. 2009 hatte er dann freien Blick auf die Brockenkuppe.
Wie viele andere Menschen nutzten auch Joachim Stuffel und seine damalige Freundin Ute Mattern bald nach der Öffnung der Brockenmauer die Möglichkeit zum Aufstieg. Am 23. Dezember 1989 wanderten sie von Schierke aus auf den Brocken. „Uns war gar nicht so recht bewusst, wie weit es bis zur Brockenkuppe war", sagt Stuffel heute. „Der Weg zog sich hin und langsam begann es zu dämmern. Wir waren nur leicht bekleidet." Kurz vor der Brockenkuppe bei den Krüppelfichten begann es dann auch noch zu schneien. „Es war unheimlich, kalt und sehr nebelig. Kein Mensch weit und breit." Schließlich sahen die erschöpften Wanderer endlich ein Licht. Die Grenzer erzählten Stuffel und seiner Begleiterin, die seien an diesem Tag die genau 1142. Besucher auf dem Brocken, was der Höhe des Brockens in Metern entspricht. Als Belohnung für den Aufstieg - und damit sich das Duo aufwärmen konnte - reichten die freundlichen Grenzer ihnen Tee.
Wenige Monate später, kurz vor Abriss der Brockenmauer, bestiegen Joachim Stuffel und seine Freundin erneut den Brocken. Es war der 7. April 1990. Diesmal sollten sie nicht so gute Erfahrungen mit den Angehörigen der Grenztruppen machen. Im Wald kamen sie an ein helles Holzhäuschen, erinnert sich Stuffel. Nahe dem Grenzwärterhäuschen saß ein bewaffneter Grenzer. Er erhob sich, als Ute Mattern und Joachim Stuffel näher kamen, und verlangte nach ihren Ausweisen. „Der Anblick der Waffe ließ meine Halsschlagader anschwellen", erzählt Stuffel.
„»Ok«, sagte ich zu dem Waffenmann, »Sie können in meinen Ausweis sehen. Aber mal ehrlich, ob Sie da reinschauen oder ob Sie da drüben in den Wald schauen, das kommt doch auf dasselbe raus. Sie haben hier weder ein Fahndungsbuch noch ein Telefon oder sonst etwas, woran Sie erkennen können, ob ich ein Verbrecher bin oder nicht.«“ Der Grenzbeamte blieb eisern. Die beiden gerieten in eine Diskussion, die immer lauter wurde.
Der Zöllner kam hinzu. Stuffel erinnert sich an dessen Worte: „Ich werde Ihnen mal sagen, wofür wir noch hier sind. Nun zeigen Sie mir mal, was Sie in den Jackentaschen haben, Zollkontrolle!“ Und als Stuffel seine Taschen leerte, blitzten die Augen des Zöllners. Er hatte noch 100 Ostmark dabei, die sofort konfisziert wurden. „Schade, dass damals keiner mein blödes Gesicht fotografiert hat. An das Geld hatte ich gar nicht gedacht", so Stuffel. Den „Einziehungs -Entscheid“ hat er noch heute. „Die DDRler bekamen ja damals im Westen 100 DM Begrüßungsgeld, und mir nahmen die Grenzer 100 Ostmark ab", resümiert er.
Als das Paar am Abend vom Brocken zurückkam, wollte Stuffel nicht noch einmal an dem Grenzposten vorbei. „Und tatsächlich", erzählt er, „nur ein kurzes Stück oberhalb der Grenzstelle, gab es eine Klappe im Zaun durch die man einfach durchsteigen konnte. Und schon waren wir drüben ohne die geringste Kontrolle!"
Jahr für Jahr lockt der Brocken als höchster Berg des Harzes Millionen von Gästen an. Viele davon nutzen die Dampfzüge der Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB). Doch was heute als touristische Selbstverständlichkeit gilt, war bis vor 25 Jahren noch nahezu undenkbar: Der Besuch des 1.142 m hohen Gipfels und die Fahrt mit der Brockenbahn.
Die außerordentliche Geschichte der 19 km langen Schmalspurstrecke begann im Sommer 1896 mit den ersten Trassierungsarbeiten. Nach der feierlichen Eröffnung am 27. März 1899 setzte dann für Jahrzehnte ein wahrer Besucheransturm auf der durch ihre landschaftliche Schönheit beliebten Strecke ein.
Das abrupte Ende kam am 14. August 1961. Der Reisezugverkehr zum Brocken wurde nur einen Tag nach Beginn des Berliner Mauerbaus aufgrund eines Ministerratsbeschlusses der DDR zu „weiterführenden Grenzsperrmaßnahmen“ eingestellt. Der neue Endbahnhof für die Personenzüge lag nun in Schierke. Der Ort war aufgrund seiner Lage im Grenzgebiet allerdings auch nur noch eingeschränkt erreichbar.
Der damalige Oberkreisdirektor Dr. Michael Ermrich, später fast 20 Jahre lang Landrat des Landkreises Wernigerode sowie des späteren Landkreises Harz, lud am 7. März 1991 alle am Streckennetz liegenden Landkreise und Kommunen zur Bildung eines einheitlichen Standpunkts zur Privatisierung der Schmalspurbahnen nach Wernigerode ein. Die Anrainer waren sich einig: Alle drei Strecken im Harz - einschließlich der zum Brocken - sollten in ihrer Gesamtheit erhalten werden! Nur sechs Tage später, am 13. März 1991, gründeten dann insgesamt 20 Kommunen aus Sachsen-Anhalt, Thüringen und Niedersachsen eine kommunale Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit dem Ziel, das Gesamtnetz zu erhalten und den Betrieb von der Deutschen Reichsbahn (DR) zu übernehmen. Im Rahmen dieser Solidargemeinschaft erklärten sich auch die Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen zur finanziellen Unterstützung bereit. Gesellschafter der HSB waren und sind bis heute die Landkreise und die an der Strecke liegenden Städte und Gemeinden: die Landkreise Harz und Nordhausen, die Städte Wernigerode, Nordhausen, Quedlinburg, die Stadt Oberharz am Brocken, die Gemeinde Harztor sowie die Braunlage Tourismus GmbH.
Es ging zügig voran. Mit Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalts und der Gesellschafter wurde im Mai 1991 die Finanzierung für die notwendige Sanierung der Brockenstrecke sichergestellt. Den offiziellen Spatenstich vollzog der Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, Dr. Horst Rehberger, am historisch bedeutsamen 17. Juni desselben Jahres im Bahnhof Schierke. Während der nachfolgenden Bauarbeiten wurden insgesamt 5.400 Meter Gleise sowie zahlreiche Durchlässe und eine Brücke saniert.
Nach einer heute unvorstellbaren Rekordbauzeit von nur drei Monaten war am 15. September 1991 der lang ersehnte Augenblick da: Die Wiedereröffnung der Brockenbahnstrecke. Heute nutzen jährlich mehr als 1,1 Millionen Fahrgäste aus aller Welt die historischen Dampfzüge der „Größten unter den Kleinen“. Mit insgesamt 140,4 km verfügt die HSB über das längste zusammenhängende Schmalspurnetz mit täglichem Dampfbetrieb in Europa und ist auch Eigentümerin von insgesamt 25 historischen Dampflokomotiven.